Ein Abend mit Gollum

Andreas Fröhlich und Denis Scheck im Literarischen Salon der Leibniz Universität Hannover

12. Dezember 2012

"Dieb! Beutlin! Wir hassen es!" - unheimlich und doch so furchtbar vertraut hallt es durch das Conti-Hochhaus der Uni Hannover. Ganz klar: das ist eindeutig Gollum! Doch der Mensch am Mikrophon sieht aus wie Andreas Fröhlich...

Der Literarische Salon der Leibniz Universität Hannover ist an diesem Abend gut gefüllt, was bei den zwei hochkarätigen Gästen aber auch niemanden verwundert. Auf der kleinen Bühne sitzen mit Denis Scheck und Andreas Fröhlich zwei Menschen, die sich nicht nur um die Beurteilung von Literatur, sondern auch um deren Interpretation und Ausgestaltung einen Namen gemacht haben.

So ist uns Fröhlich nicht nur als die deutsche Stimme von Gollum aus den "Herr der Ringe"-Verfilmungen von Peter Jackson bekannt; viele von uns sind auch quasi mit ihm groß geworden. So manche lange Autofahrt hat er uns als Bob Andrews von den "Drei ???" gemeinsam mit seinen Detektivkollegen Justus Jonas und Peter Shaw verkürzt. Natürlich ist seine Stimme seit Kindertagen reifer und tiefer geworden, aber es schwingt noch viel Vertrautes mit. Und wenn er dann loslegt, um mit viel Ausdruckvermögen aus dem "Hobbit" die erste Begegnung zwischen Bilbo Beutlin und dem verschlagen und unheimlich daherkommenden Geschöpf Gollum vorzulesen, ist das ganz großes Kino und das eine oder andere Nackenhärchen stellt sich beunruhigt auf.

Großes Kino? Natürlich steht die Veranstaltung auch ein wenig im Schatten des anlaufenden "Hobbit"-Filmes, auf den die weltweite Tolkien-Community seit Jahren sehnsüchtig wartet. Noch hatte niemand den Film gesehen - bis auf Harry, der noch eine reguläre Karte für die Vorpremiere ergattert hatte, aber nichts verraten wollte. Selbst Fröhlich hatte den "Hobbit" noch nicht gesehen, obwohl er auch diesmal wieder Gollum seine Stimme geliehen hat. So streng waren die Sicherheitsvorschriften des Studios. Um so spannender ist daher dieser Termin im Literarischen Salons, denn er macht dem Publikum klar, dass es schon ein wenig an einer Art Zeitenwende steht. Hat man den Film einmal gesehen, wird man das Buch mit anderen Augen wahrnehmen.

Zur Buchfassung des "Hobbit" und zur ganzen Gattung der Fantasyliteratur hat Denis Scheck natürlich eine Menge zu sagen. Der bekennende Fan von Horror, Science fiction und eben auch Fantasy ist ein Experte auf seinem Gebiet. Als Literaturkritiker hat er sich einen Namen gemacht und mehrere Preise für seine Arbeit gewonnen. Im Deutschlandfunk ist er regelmäßig zu hören ("Büchermarkt") und im Ersten in seiner Sendung "Druckfrisch" auch zu sehen. Scheck hat an diesem Abend die Rolle des Moderators übernommen; nach einer erfrischend vorgetragenen Einleitung mit herrlichen Seitenhieben auf diejenigen, welche die Fantasy nicht als Literatur ansehen möchten, springt er nahtlos ins Interview mit Fröhlich. Beide sprechen offen über ihre Tätigkeiten, Tolkiens Werke und natürlich auch über die Hobbit-Verfilmung und wie man sich die Arbeit als Synchronsprecher ungefähr vorstellen kann.

Das alles ist höchst interessant und unterhaltsam, aber der Höhepunkt ist dann doch Fröhlichs Lesung des Kapitels "Rätsel in der Finsternis" in der Übersetzung von Wolfgang Krege. "Wenn ich vorlese, dann vergesse ich, dass da Menschen sind und zuhören", sagt Fröhlich und das glaubt man ihm sofort. Man könnte eine Stecknadel fallen hören, so still ist es im Raum geworden (und da sitzen weit über hundert Leute), als Bilbo Beutlin sich durch dunkle Gänge tastet, einen mysteriösen Ring findet und schließlich mit der schleimigen Kreatur Gollum buchstäblich um sein Leben raten und rätseln muss. Am Ende gibt es minutenlangen Applaus.

"Fröhlich ist der einzige Schauspieler, der mir eine Gänsehaut lesen kann - obwohl ich den Text schon kenne", resümiert Scheck. Dem kann man nur beipflichten. Und am Ende ist dann sogar noch Raum für Publikumsanfragen und das eine oder andere persönliche Wort.

Ein wirklich phantastischer Abend.

Ulrich Hacke