Mittelalterspektakel in Hildesheim
Von Uli Hacke
Es war quasi der Einstand des Frühlings in Norddeutschland und auch ein bisschen Sommer lag schon in der Luft: perfekte Bedingungen also für den Mittelaltermarkt am Hildesheimer Hohnsensee.
Wir waren zu dritt - Kerstin, Detlef und ich - und sahen uns eigentlich gar nicht so sehr als Vertreter des hannoverschen Tolkienstammtisches. Vielmehr wollten wir einen ganzen Tag lang in mittelalterlichem Ambiente Spaß haben. Und das hat dann auch bestens funktioniert.
Nach kurzer Parkplatzsuche unter Führung des ortskundigen Detlefs lag das Areal schnell in greifbarer Nähe und die kurzzeitige Verwirrung durch einen Weg, der früher mal anders verlaufen sein musste, ließ sich mittels untrüglicher Zeichen schnell beseitigen ("Guck mal, Gewandete da drüben - da müssen wir hin" - "Ich höre Sackpfeifen!"). Zwar waren die Eintrittpreise mit zehn Euro nicht ganz günstig ("Gab es nicht mal einen Rabatt für Gewandete?" - "Zehn Euro sind der Rabatt..."), aber waren durchaus vertretbar, vor allem wenn man bedenkt, was einem dafür geboten wurde.
Am späten Vormittag war das Gelände noch recht leer und die Besuchermassen ziemlich überschaubar - das hatte aber den Vorteil, dass wir in Ruhe an den Ständen und Marktbuden vorbeischlendern konnte. Da spielt so ein Mittelmarkt seinen ganzen Charme aus, denn hier lassen sich nicht nur schöne Dinge erwerben, sondern auch viel Wissenswertes erfahren. Als besonders faszinierend erwies sich der farbenblinde Feingoldschmied, der mit einem beeindruckenden Sortiment an Werkzeug eine gerissene Kette nebst Schließe und Anhänger für uns wieder instand setzte. Wie er denn die einzelnen Materialien auseinander halten könne, wollten wir wissen. "Am Geruch! Ich kann allein mit der Nase Kupfer von Eisen und Silber von Titanium unterscheiden." Faszinierend.
Oder der langhaarige Wikingerabkömmling, der nicht nur originalgetreuer Repliken alter Nordmännerschwerter im Angebot hatte, sondern auch ungeheuer viel über deren Herstellung, Wikingerkampftechnik und Geschichte wusste. Der konnte gut erzählen und erklären. Nur die Schlüsselanhänger mit dem Aufdruck "Odin statt Jesus" erschienen doch etwas albern und zumindest theologisch fragwürdig.
Als kompetent und fröhlich erwies sich der Salzsieder, der viele Sorten unterschiedlichster Salze im Angebot hatte. Die konnte man auch alle probieren und es erstaunlich, wie lecker doch Salzkörner schmecken können. Vor allem die lange geräucherten Salze hatten es uns angetan, dazu sei das Wikingersalz genannt, welches in Dänemark auf finnischem Wacholderholz geräuchert wird. Ursprünglich stammt es aus dem Toten Meer. Es schmeckt sehr intensiv und besitzt ein komplexes Aroma. Und um den kulinarischen Genuss auf die Spitze zu treiben, haben wir zu diesem Salz einen 18 Jahre alten McCallan Single Malt Whisky genossen. Himmlisch!
Am anderen Ende des Geländes war das Areal für das große Ritterturnier aufgebaut. Hier traten am Nachmittag "die Besten der Besten der europäischen Ritterkrone" an - international ein wenig aufgemischt durch einen arabischen Reiter und einen besoffenen Mongolen... also eine gute Basis für packende Wettkämpfe auf dem Rücken der Turnierpferde, welche die teilnehmenden Ritter wirklich meisterhaft beherrschten. Stilecht wurde zunächst eine "Prinzessin" aus dem Volke gefischt ("Hoheit! Was sitzt Ihr denn beim Pöbel?"), um dem Turnier durch ihre holde Anwesenheit das gewisse Extra zu geben und so saßen wir denn als Zuschauer unter der Obhut von Prinzessin Jaqceline I. und dem kleinen Rittersöhnchen Attila (der auch als -töchterchen hätte durchgehen können), der die Aufgabe hatte, die von den Kämpen erzielten "Oculi" (Punkte) zu zählen.
Längst hatte sich der Markt gefüllt und die Stimmung war nicht zuletzt dank der zahlreichen Musikeinlagen richtig gut - und das wunderschöne Wetter tat das seine dazu. Kein mittelalterliches Konzert ohne Sackpfeifen, Trommel und Flöte - oder mit einer kleinen Hommage an die Neuzeit eben auch das eine oder andere elektronisch verstärkte Instrument oder ein ausgewachsenes Drumset. Hauptsache, es klinget! Nur: ob den begeistert mitsingenden Zuschauern eigentlich klar ist, was für Texte sie da mitunter singen? Aber andererseits ist es ja auch nicht großartig anders, wenn man im Radio einen Mainstreamsender einstellt.
Alles in allem war es ein großartiger Tag, der allerdings zum Ende hin doch einiges an Tribut von unseren Füßen forderte. Erstaunt mussten wir feststellen, dass wir mehr als sieben Stunden am Hohnsensee verbracht haben, die allerdings auch wie im Fluge vergangen waren. Und ebenfalls zum Ende hin machte einer von uns sich einen persönlichen Traum war, so dass der eingangs erwähnte Wikinger beim schlussendlich ein Schwert weniger einzupacken hatte...