Durch Zeiten und Kulturen
Mystica Hamelon
In Hameln an der Weser weiß man am ersten Märzwochenende Politik, Wirtschaft und Kultur geschickt miteinander zu verbinden: beim verkaufsoffenen Wochenende buhlen die Geschäfte um Kunden, ein Landrat wird gewählt und gleichzeitig wird das Mystica Hamelon als phantastischer Mittelaltermarkt gefeiert. Was für eine Herausforderung.
Von Uli Hacke
1284 soll es gewesen sein, als ein wunderlich aussehender Mann sich in Hameln sehen ließ, bekleidet mit vielfarbigem bunten Tuch. So fängt die bekannte Rattenfängersage an. Bis hierhin stimmt die Geschichte auch mit der Gegenwart überein, denn wunderlich gewandete Menschen waren in der Hamelner Innenstadt gleich zu Hunderten zu sehen. Das seit 2014 stattfindende Mystica Hamelon ist aber auch ein Publikumsmagnet und bietet nach Angaben der Stadt über 150 Stände und mehr als 200 Programmpunkte. Über die Hameln Marketing und Tourismus GmbH ist die Weserstadt auch Veranstalter des Spektakels.
Der geschichtlich wenig belegte aber dafür um so bekanntere Pfeifer des Spätmittelalters hätte sich hier bestimmt wohl gefühlt: sei es durch die Spielleute, die in lauter und leiser Form ihre Zuhörer fanden oder sei es durch die vielen kulinarischen Wohlgerüche, die durch Hamelns Innenstadt zogen. Und auch an Ratten hätte es ihm nicht gemangelt, schließlich sind in die Pflastersteine der Hamelner Straßen alle paar Meter kupferne Rattenbildnisse eingelassen (die in der Vergangenheit übrigens immer wieder für herrliche Diskussion geführt haben). Und an den vielen Verkaufsständen hätte er gemeinsam mit Freunden eine tagesfüllende Einkaufstour unternehmen können - vorausgesetzt, seine Geldkatze wäre entsprechend gefüllt. Wir dagegen, rund 750 Jahre später, können beim Mystica Hamelon entspannt unserere ec-Karten zücken, die ganz selbstverständlich an vielen Marktständen akzeptiert und manchmal entsprechend atmosphärisch als "Magische Karten" bezeichnet werden.
Wäre der sagenhafte Rattenfänger von einst dagegen zum zweiten Mal nach Hameln gekommen - in entsprechend anderer Stimmung, weil ihm die Bürger der Stadt ja das zugesagte Salär für die Befreiung von der Rattenplage verweigert hatten - dann hätte ihn das Festival womöglich aufgemuntert. Zumal das Publikum bunt gemischt war und mit vielen jungen Familien auch genau die Zielgruppe bot, die der Rattenfänger statt der Nagetiere mit seiner Flöte aus der Stadt heraus zu locken gedachte: Kinder.
Aber es blieb in Sachen Rattenfänger bei der Spekulation: zu groß war das phantastische Angebot des Spektakels, als daß eine einzelne Person wie der Rattenfänger da noch aufgefallen wäre. Und das ist auch gut so, das wollten die vielen Besucher sehen. Zwar was das Veranstaltungsgelände in diesem Jahr deutlich kleiner - das Weserufer in Richtung der Rattenfängerhalle blieb unbespielt - der Stimmung tat das aber keinen Abbruch. Allerdings ließ zumindest der Samstag vermuten, dass am Ende die Besucherzahlen womöglich geringer ausfallen werden. Das mag aber auch daran liegen, dass in Zeiten des Coronavirus (so mancher spricht schon von einer Pandemie) Großereignisse wie ein Mittelaltermarkt nicht unbedingt auf den vordersten Plätzen einer Liste mit Plänen für das Wochenende stehen. Einen "Coronavirus" haben wir gar getroffen, stilvoll mit Pestmaske verkleidet, aber vor dem brauchte niemand Angst zu haben - der war nett und stand auch prompt für ein Foto zu Verfügung. Ebenfalls ein unerwartetes Treffen: in der Fußgängerzone liefen uns drei Vertreterinnen des Göttinger Tolkienstammtisches über den Weg. So muss das sein, wenn man auf dem Mystica Hamelon unterwegs ist. Gut, dass wir da waren!